Elizabeth und die Handschuhfabrik

Ein georgianischer Trauerring und die Geschichte der Familie Collins aus Yeovil
Ein Zeugnis von Liebe, Verlust und Handwerkskunst im England des frühen 19. Jahrhunderts

Ein wunderschönes Exemplar des englischen Trauerschmucks. Dieser mourning ring zeigt die blonden Haare der 1821 verstorbenen Elizabeth Collins.

Ein wunderschönes Exemplar des englischen Trauerschmucks. Dieser mourning ring zeigt die blonden Haare der 1821 verstorbenen Elizabeth Collins.

Manche Schmuckstücke erzählen ganze Lebensgeschichten. Dieser seltene georgianische Trauerring ist ein solches Stück – ein feines Beispiel für die hohe Kunstfertigkeit des frühen 19. Jahrhunderts und ein stilles Zeugnis gelebter Erinnerung. Gefertigt aus 18-karätigem Gold, mit einem Gewicht von fünf Gramm, umfasst er eine wunderschön erhaltene Emaille-Einfassung. Im Zentrum: eine feine Haararbeit, kunstvoll eingelegt – ein zutiefst persönliches Element, das in der Trauerschmuckkultur jener Zeit eine bedeutende Rolle spielte. Die Emaille ist in bemerkenswert gutem Zustand erhalten, was dem Ring eine stille, beinahe zeitlose Eleganz verleiht. Auf der Rückseite des Ringkopfes ist das Jahr 1821 eingraviert – ein Hinweis auf den historischen Anlass seiner Anfertigung. Die Ringgröße entspricht UK-Größe O ½.

Doch wer war die Frau, deren Haar dieser Ring bewahrt?

Elizabeth Collins, geborene Windsor, wurde um 1754 in Yeovil geboren – einer Marktstadt in Somerset, deren Landschaft damals noch vom Rhythmus des ländlichen Lebens geprägt war, während sich Europa ringsum im Umbruch befand. Am 26. Dezember 1775 heiratete Elizabeth im Alter von 21 Jahren den zwei Jahre älteren Henry Collins. Ihre Ehe führte sie nicht nur in ein großes Familienleben, sondern auch in eine der florierendsten Industrien ihrer Zeit: die Handschuhproduktion.

Eintrag zur Hochzeit von Elizabeth Collins geb. Windsor, im Marriage register book fort he Parish of Broadway in the County of Somerset (zweiter Eintrag rechts). .

Henry Collins betrieb eine angesehene Handschuhfabrik in Court Ash, einem zentralen Straßenzug Yeovils, und erwarb 1794 das Anwesen Court Ash House – ein neunzimmeriges Haus, erstmals 1725 erwähnt. Yeovil galt im ausgehenden 18. Jahrhundert als Hochburg der Handschuhherstellung, insbesondere aus feinstem Leder. Das British Directory von 1797 verzeichnete dort eine „extensive glove manufactory“, die jährlich rund 300.000 Paar Handschuhe produzierte. Ein florierender Wirtschaftszweig, von dem auch die Familie Collins erheblich profitierte.

Doch der wirtschaftliche Aufstieg war nicht von Dauer. 1826, fünf Jahre nach Elizabeths Tod, wurde der Import französischer Handschuhe erlaubt – eine Entscheidung mit dramatischen Folgen für Yeovil. Das Sherborne & Taunton Journal sprach 1829 von einer „sehr bedrückenden“ Situation für die Armen der Region. Und doch hielt sich die Hoffnung: Im Februar 1840 berichtete die Western Flying Post, dass Königin Victoria zur Hochzeit mit Prinz Albert Handschuhe aus Yeovil tragen werde – ein symbolisches Zeichen königlicher Unterstützung für britisches Handwerk. Dennoch konnte der Niedergang nicht aufgehalten werden. 2023 schloss mit Pittards der letzte verbliebene Betrieb – das Ende einer über 700-jährigen Tradition.

Elizabeth und Henry hatten acht Kinder, darunter Martha, Mary, Susannah, Sarah und die jüngste, ebenfalls Elizabeth. Besonders Susannah ist uns als wohlhabende und ledige Dame bekannt, die das Mansion House in der Princess Street bewohnte und ein beträchtliches Barvermögen hinterließ. Ihre Schwester Elizabeth heiratete im Jahr von Mutter Elizabeths Tod den Handschuhmacher Samuel Duffett, Martha einen weiteren Fabrikanten – Zeichen einer Familie, deren Schicksale eng mit der lokalen Industrie verwoben waren.

Der Ring mit der Haararbeit von Elizabeth Collins wurde wohl von einer ihrer Töchter getragen. Vielleicht von Susannah, vielleicht von Martha oder der jüngsten Elizabeth – als Erinnerung an ihre Mutter, als Zeichen stiller Trauer und tiefer Verbundenheit. Auch ihr Haus, ihr Name, ihre Geschichte haben Spuren hinterlassen. Die Familie Collins prägte nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Stadtbild Yeovils. Nach Henrys Tod im Jahr 1827 führten die Söhne Henry Jr. und Philip das Unternehmen unter dem Namen Henry & Philip Collins weiter. Später wohnten auch der Schwiegersohn William Willmington, dessen Sohn Edwin sowie der Handschuhmacher Elias Lyndall Whitby im Court Ash House – einem Ort, der vielen Generationen Heimat war, bis er 1936 einem Kino wich.

Elizabeth Collins starb am 18. Januar 1821 im Alter von 67 Jahren – eine beachtliche Lebensspanne in einer Zeit, in der viele Frauen jung starben. Sie wurde in der St. John’s Church beigesetzt, ihr Ehemann folgte ihr sechs Jahre später.

Der Eintrag von 1821 zur Bestattung von Elizabeth bestätigt ihren Wohnort: Court Ash.

Ihr Leben war geprägt von Mutterschaft, familiärer Beständigkeit und tiefem Verwurzeltsein in einer Region im Wandel. Ihr Name lebt fort – in Testamenten, Kirchenbüchern, auf Grabsteinen und nicht zuletzt in einem kleinen, kunstvoll gefertigten Ring. Ein stiller Zeuge vergangener Zeiten. Und vielleicht das persönlichste Schmuckstück, das eine Familie bewahren kann.

 

Literatur und Quellen:

https://www.somersetlive.co.uk/news/somerset-news/700-year-rise-fall-yeovils-8737983

https://www.yalhs.org.uk/royal-patronage-1840/

https://www.yeovilhistory.info/collins-henry.htm

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Sentimentaler Schmuck – Botschaften der Liebe, Erinnerung und Verbundenheit